Briten sind schon ein feines Völkchen... Wie ich darauf komme? Nun, das ist mein Eindruck von den Menschen, die hier am Flughafen London Heathrow um mich herumwuseln. Während ich hier sitze und beginne, diesen Artikel zu schreiben trifft mich diese Realisierung in post-Brexit Zeiten ganz besonders hart.
(Mensch, die Verbindungszeit ist aber schnell verflogen! Wo ist nochmal mein Gate? Ach ja. Bis gleich...)
Es fühlt sich schon surreal an, nun doch auf dieser Reise zu sein - eine Reise deren Planung ich vor etwa anderthalb Jahren begann. Man könnte viele Worte darüber verlieren, wieso das so lange gedauert hat. Viel wichtiger ist aber der Zweck des ganzen: Ich habe zuletzt mein Masterstudium der Biologie abgeschlossen und bin jetzt auf dem Weg zur Johns Hopkins University in Baltimore, USA, um in einem Projekt über Neuroengineering mit einer dortigen Gruppe mitzuwirken. Und wieso? Weil es mich interessiert hat (und, wie wir herausfinden werden, weil ich es konnte).
Eins der tollsten Dinge in der Wissenschaft ist wohl die Breite an Möglichkeiten, die sich einem öffnen können. Falls du willst, und genug Glück hast, kannst du eine Menge machen und sehen. Insbesondere Auslandserfahrungen sind ein wichtiger Teil dieser Palette. Schließlich ist Forschung ein globales Unterfangen, das Staaten, Kulturen und manchmal sogar Konflikte überwindet - im Dienste der Wissenschaft.
During my Bachelors and Masters time alone, I worked in a group in Germany together with colleagues from Argentina, Mexico, Spain, Indonesia, China, Finland, India, Brazil and the USA. During that time, I reached out to researchers from Japan, Norway, Australia, Scotland, England, the Netherlands and the USA… most of whom responded. At one point in my Bachelors studies, I attended a workshop in Saudi-Arabia of all places (an event that ought to be discussed separately). Had the Covid-19 pandemic not been a thing, then I probably would have written my Bachelors thesis there, attended a conference in Worcester and studied my Masters in London. Now, I am on a plane to the USA and in October, I will be starting my PhD studies in Scotland. I feel lucky to call people from vastly different places on earth my friends and I am sure that there are a few more to come. Hopefully at least, because according to every lecturer ever, this networking is of utmost importance for every young scientist.
Wenn es also Zeit für mich ist, mein royalblaues Hemd und darüber meine schwarze Kabanjacke anzuziehen und zum Flughafen zu sausen, fühle ich mich privilegiert, irgendwie besonders und als hätte ich etwas erreicht. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich es genieße den Eindruck einer geschäftigen Geschäftsperson abzugeben, die hastig auf ihre Uhr schaut, um ihren Anschlussflug in Richtung Schlipsträgerstadt nicht zu verpassen. Sollte man so etwas genießen? Sollte man so etwas tun? Und ist das Wissenschaft?
"Im Dienste der Wissenschaft", wird ja immer so schön gesagt. Mir kommt es immer mehr so vor, als könnte man mit dieser Phrase den größten Quatsch legitimieren. Ein Beispiel: In diesem Moment sind 13 Kilometer Luft und ein paar vorzüglich fluffige Wolken zwischen meinem Hintern und dem Atlantik, während ich zu einem anderen Kontinent fliege. Mein Anteil an ausgestoßenen CO2 -Äquivalenten durch Hin- und Rückflug beläuft sich auf 2400 kg, wodurch ich 160 % meines jährlichen CO2 -budgets in einem 1.5 °C Szenario verbrauche (Das gibt zumindest ein Onlinerechner an. Viele verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle aber unter dem Strich verbrauche ich endliche Ressourcen. In einem Versuch, ein paar der Auswirkungen zu mildern habe ich Geld gespendet, aber dadurch verschwindet das CO2 disappear.). I will then spend three months in the US, conducting research in a discipline that I am not trained in, living from scholarship money, which is partly financed by the government and therewith by the public. In the beginning of the project, I was considering following up with a PhD in that group but by now I have decided that the topic does not captivate me enough to spend years of my life on. Does that not all sound like a huge waste of money and resources?
In vielen Aspekten ist es das. Betrachten wir zunächst einmal meinen potentiellen Beitrag zu einer besseren Welt und ich eröffne hier mit einer Behauptung: Wissenschaft darf keine Grenzen haben. Es ist im Interesse der Gesellschaft, dass Forschende aus aller Welt vernetzt sind und Wissen, sowie Technologie, austauschen. Das bringt Fortschritt. Mit weniger Vernetzung wäre der Fortschritt langsamer, ja, fehlende Kommunikation könnte sogar zu Redundanz führen, wodurch ebenfalls Geld und Ressourcen verschwendet würden. Vernetzung fördert auch gegenseitige Abhängigkeit und kulturellen Austausch: Attribute, von denen wir momentan mehr brauchen denn je. Natürlich kann Austausch auch online stattfinden und in meinem Fall hat er das auch die ersten drei Monate lang. Allerdings ist virtueller Austausch auf theoretische Anwendungen beschränkt und es ist manchmal auch schwierig im Vorhinein einzuschätzen, was aus einer Kooperation entstehen kann. Einige Monate nach meiner Kontaktaufnahme mit der Gruppe aus den USA habe ich einen Gastvortrag über den Nutzen von Optogenetik in Neuroengineering gehört - ersteres war eine der Paradedisziplinen meiner vorherigen Arbeitsgruppe!
So, will my flight to the US bring peace to the world and produce the next Nobel price-worthy discovery? No, it will not. In fact, if there are any positive impacts of my travel for society, they are probably negligible in the bigger picture. In the end, I am the one who profits from this project. I get to see a different country and I get to learn new skills, which I might not even need in the future. I wanted to do this because I wanted to get out of my home country again and gather new experiences. Science is a means for me to do this but it is not the only or even most important reason. On top of this, it would be taunting to proclaim that mere scientific interest could enable such a project for anyone. I grew up in an academic household and for my whole life, I enjoyed education in a scientifically renowned country for relatively little money. I am receiving a generous scholarship, which covers all of my finances, enabling me to fully concentrate on my studies. I think I have never faced serious discrimination of any sort in my life, which could have impaired my personal or academic development. In short, there is a myriad of reasons why another person from another background might not have been offered this possibility or might not even have had the option to consider, let alone apply for it.
Die Wissenschaft sollte keine Grenzen kennen - keine staatlichen und keine, die eine Person der anderen aufgrund von Gründen außerhalb ihrer Kontrolle vorziehen. Leider gibt es diese Grenzen zurzeit und vielleicht wird es sie immer geben. Mir sollte bewusst sein, dass ich auf der begünstigten Seite stehe. Vielleicht bin ich nicht der Grund, aber mit Sicherheit ein Profiteur dieses Systems. Es ist möglich, dass dieser Austausch der Welt auch etwas bringt, aber ich bin der Hauptzweck. Ich verliere mich schnell in unrealistischen Idealen, daher schätze ich es wert, ab und zu auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden.
Lange Zeit habe ich auch darüber nachgedacht, ob meine Entschlossenheit, meine Promotion irgendwo, nur nicht in Deutschland zu machen, egoistisch ist. Schließlich hat Deutschland bis dato meine ganze Ausbildung bezahlt und kaum bin ich in der Lage, substanziell zurückzugeben, haue ich in ein anderes Land ab, weil ich neue Orte sehen und eine aufregende Geschichte schreiben möchte. Abermals: Ich denke, dass Wissenschaft von Austausch lebt und finanzielle Verpflichtungen sollten dabei keine Rolle spielen. Aber mal davon abgesehen, dass internationale Erfahrungen ein gern gesehenes Attribut sind, ist mein primärer Drang für diese Entscheidung persönlich. Es stört mich, dass ich das deutsche Bildungssystem unabsichtlich ausnutze. Wie ich in den letzten Monaten herausgefunden habe, ist das deutsche System, verglichen mit anderen Ländern, fantastisch. In diesem Falle bevorzuge ich aber bewusst meine persönliche Entwicklung gegenüber anderen Abwägungen.
Ich denke, man kann durchaus im Labor Anzug tragen. Es wird nicht viel wissenschaftlicher, als Wissenschaft mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu bewissenschaften (...?!). Reisen können Teil dieser Übung sein, wenn das für dich möglich ist. Und daher ist es, finde ich, auch in Ordnung diese Erfahrungen zu genießen, solange man sich im Klaren darüber bleibt, dass man nicht im Urlaub ist. Ich, für meinen Teil, sollte den oben formulierten wissenschaftlichen Geist zu gut wie möglich leben. Gleichzeitig sollte ich im Hinterkopf behalten, dass ich das Ziel meines Projektes bin und für mich das meiste daraus machen. Falls ich eines von beiden nicht schaffe, war das ganze wohl doch nur Geld- und Ressourcenverschwendung.